Interview mit Gerhard Jammer: „Chemie ist mehr als die Summe aller Teile“ – Der Holzapfel Oberflächen Blog

Interview mit Gerhard Jammer: „Chemie ist mehr als die Summe aller Teile“

Gerhard Jammer ist nicht nur ambitionierter Hobby-Fotograf und leidenschaftlicher Naturwissenschaftler, sondern auch der Leiter Qualitätswesen, QMB, UMB bei Holzapfel. Wir haben uns mit dem Diplom-Ingenieur für chemische Verfahrenstechnik über Qualität in der Galvanobranche unterhalten.

Herr Jammer, erzählen Sie uns doch bitte einmal, was Ihre Abteilung und Sie bei Holzapfel genau machen.
Als Leiter für das Qualitätswesen bin ich verantwortlich für die Qualität der Ware, die zum Kunden geht. Zu dem Aufgabengebiet gehört einmal die Qualitätssicherung als solche, die sich auf die Teileprüfung nach der Fertigung bezieht. Das heißt: Wenn wir Teile beschichtet haben, gibt es entsprechende Prüfaufgaben. Die dazugehörigen Spezifikationen werden zusammen mit dem Kunden auf Basis seiner Anforderungen definiert. Die Abteilung Qualitätssicherung macht die entsprechende Planung dafür.
Dann haben wir noch die Qualitätssicherung im Rahmen der Prozessabsicherung. Das heißt, dass der Beschichtungsprozess gewissen Prüfungen unterliegt. Vor allem geht es da um die chemische Prüfung der Bäder. Im Bereich der Angebotsfindung unterstützen wir selbstverständlich auch den Vertrieb hinsichtlich der Anforderungen, die vom Kunden kommen, zum Beispiel bei den Inhalten der Normvorgaben. Außerdem unterstützen wir das Innovationsteam sowohl von der fachlichen als auch von der Qualitätsmanagement-Seite her.
Qualitätsmanagement und Dokumentationswesen ist der nächste große Bereich. Denn wir sind zertifiziert nach IATF 16949, nach DIN EN ISO 9001 und im Umweltbereich nach EMAS.

Können Sie erklären, warum Ihr Bereich frühzeitig in die Gespräche mit den Kunden einbezogen wird?
In letzter Zeit kommt von Kundenseite immer häufiger bereits zusammen mit der ersten Anfrage eine Normforderung, die schon sehr konkret ist. Das beginnt bei Normen, die etwas darüber aussagen, wie das Produkt beschaffen sein muss, also was der Kunde konkret haben möchte. Und dann gibt es Normen, die sagen, wie wir das Ergebnis überprüfen müssen. In diesem Bereich der Normenprüfung muss die Qualitätssicherung dabei sein. Auch weil sich die Normen häufig ändern. Viele Normen wandern auf meinen Tisch, bei denen ich identifiziere, wie genau die Anforderungen an uns aussehen. Wir müssen zu gegebener Zeit einen sogenannten Erstmusterprüfbericht beilegen, der diesen Normforderungen entspricht.

Wie können Sie und Ihre Abteilung sicherstellen, dass Aufträge gemäß Kundenwunsch erfüllt werden?
Wir müssen heutzutage viel über die Anforderungen der Kunden wissen. Je mehr wir über das Bauteil und dessen spätere Verwendung wissen, desto mehr können wir auch über eventuelle Risiken informieren. Dabei ist das Risiko- und Chancenmanagement mittlerweile sehr wichtig. Wir steuern deshalb sogenannte Qualitätsvorplanungsgespräche (QVP) mit den Kunden ein, die in der Regel nach der Angebotserstellung zustande kommen. In diesem Gespräch können bestimmte Sachverhalte und Anforderungen beim Kunden abgefragt werden, die im normalen Dialog oftmals nicht zur Sprache kommen. Da geht es etwa um Schichtstärken oder Design-Fragen. In so einem Gespräch hat man auch schon mal Bauteile in der Hand. Wir können hier bereits beratend eingreifen oder auch erläutern, wie später die prozessbegleitenden Prüfungen ablaufen werden. Das QVP-Gespräch ist auch ein Einstieg für die Abteilung Fertigungsleitung, die hier bereits über die Gestellfertigung sprechen darf und muss.

Gerhard Jammer, Leiter Qualitätswesen, QMB, UMB bei HolzapfelViele Ihrer Kollegen bei Holzapfel verstehen sich als kompetente Problemlöser. Wie sieht das bei Ihnen aus?
Ich würde eher sagen „Herausforderungen-Annehmer“ (lacht). Mein Bereich soll dafür zuständig sein, dass möglichst alles glatt durchläuft, was beim Faktor Mensch – Gott sei Dank – nicht immer der Fall ist. Ich verstehe meine Abteilung auch nicht als Problemlöser, sondern als Lösungsanbieter. Es sind oftmals ja keine Probleme, die gelöst werden müssen, sondern Umstände, die einer anderen Herangehensweise, einer anderen Vorgehensweise bedürfen. Und dann geht es darum, dass man diese anderen Vorgehensweisen auch tatsächlich anstößt und die Sensibilisierung zur Qualitätssicherstellung bei allen Beteiligten in eine andere Richtung lenkt.

Sie sprechen mit viel Begeisterung über Ihre tägliche Arbeit. Wie wichtig ist Leidenschaft in Ihrem Job?
Ich bin Naturwissenschaftler. Ich will den Sachen auf den Grund gehen. Als Naturwissenschaftler hat man es halt schwer, Dinge einfach zu glauben, weil man weiß, dass es einen Beweis dafür geben sollte. Vieles ist einfacher, wenn man es erklären kann. Mein Ziel ist es schon, zu verstehen, warum etwas so ist, wie es ist. Das ist meine Antriebsfeder. Das hat mich dazu gebracht, in die Naturwissenschaften zu gehen, in die Chemie-Richtung – und auch mehr in die Anwendung als in die Theorie.

Ein gutes Stichwort. Wie sind Sie zu Holzapfel gekommen?
Die Galvano-Branche ist klein. Ich habe während meines Studiums die Richtung Oberflächentechnik eingeschlagen und hatte auch Glück, dass ich nach dem Studium relativ zügig Fuß gefasst habe. Damals in einer Firma, die chemische Produkte für die Branche hergestellt hat. Irgendwann habe ich dann entschieden, dass die Chemie zwar ganz interessant ist, die Anwendung aber eben auch. Deshalb wollte ich erfahren, wie ein Anwender arbeitet und wechselte auf die Kunden-/Anwenderseite in den Bereich Qualitätssicherung und -management. Die Branche wird dann natürlich noch enger und als später Holzapfel jemanden in dem Bereich suchte, nahm ich die Herausforderung an.

Die Galvanotechnik ist auch deshalb so interessant, weil Sie am Ende ein Ergebnis haben, das Sie auch anfassen können. Ich sage immer: Chemie ist mehr als die Summe aller Teile. Und das passt bei der Galvanotechnik wie die Faust aufs Auge. Das Ergebnis ist das Zusammenspiel von vielen, vielen Parametern. Damit machen wir übrigens auch jeden metallverarbeitenden Betrieb kirre. Denn der hat Breite, Länge, Höhe und das war’s dann meist an Parametern. Und da fangen wir erst an, darüber nachzudenken, wie viele Parameter wir haben. Das macht es natürlich auch spannend. Und es gibt immer wieder neue Herausforderungen: Es gibt immer wieder neue Teile, neue Teilegeometrien, neue Anforderungen an die Bauteiloberfläche – und auch neue Verfahren und Anlagentechnologien.


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